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Chalisti Sonderausgabe zum Thema EMMA

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Chalisti
 · 1 month ago

Sonderbeitrag C H A L I S T I, Kommentar 

Mit der Bitte um Verbreitung auf den Netzen...


Den Aufstand proben ...

Mailboxen, Netze und andere neue Medien sind bekanntlich das Sinnbild fuer
die Freiheit der Information. Sie geben Anlass ueber vieles, wie Copyright,
bezahlte Information und aehnliches, nachzudenken, da sie in dieser modernen
Umgebung anachronistisch wirken. Besonders der Versuch, zu zensieren, muss von
vornherein zum Scheitern verurteilt sein. Wer auch nur ansatzweise glaubt,
Informationen, die elektronisch vorliegen, zurueckhalten zu koennen, zeigt,
dass er kein Einfuehlungsvermoegen fuer die zugrundeliegende Technik besitzt.

Dies ist manchmal auch aergerlich: Es kann z.B. vorteilhaft sein, wenn
bestimmte Informationen nur regional gebunden sind oder einer bestimmten
Zielgruppe offen stehen (z.B. interne Nachrichten von Vereinen, etc). Als
Realist muss mensch aber solche "Einschraenkungen" als Empfehlung betrachten.
Der Computer ist von seinen Wesen her eine Maschine zur Informations-
verarbeitung und deren Ausgabe. Der Aufwand, Informationen einen Rechner
zurueckhalten zu lassen, ist ziemlich gross. Jeder Entwickler von Sicherungs-
mechanismen und Zugriffskontrollen und auch jeder Hacker weiss dies aus
eigener Erfahrung.

Nun gab es aber genau dies: Zensur auf den Netzen. Anzeichen dafuer gab es,
als an einigen Universitaeten waehrend des Golfkrieges Spiele wie "conquer"
gesperrt wurden, weil dieses Simulationsprogramm auch Kriegsanteile besass.
Kurz darauf wurde auf Grund einer Initiative der Frauenbeauftragte der
TU Berlin die internationalen NetNews-Hierachie alt.sex.* gesperrt. Die
erste Welle des "Zensurvorwurfs" ging durch dieses Land. Sie blieb leider
ungehoert.

Ein schlecht recherchierter und unreflektierter Artikel der Zeitung "EMMA"
fuehrte zur Sperrung der alt.sex.* Hierachie an mehreren Universitaeten.
Aber auch Mailboxen fuehlten sich berufen, ihre Mailbox wieder "sauber"
zu bekommen. Der Vorwurf: Ueber Netz werden pornopraphische Bilder ueber-
tragen.

Mensch stellt sich selbst ins Unrecht, wenn mensch nicht zugibt: Ja, es
gibt solche Bilder im Netz. Sie verbrauchen eine ziemliche Bandbreite.
Sie werden von vielen Leuten angeschaut. Sie sind sicher alles andere als
frauenfreundlich. Ebenfalls sind Texte und Bilder dabei, die nach unseren
nationalen Gesetzen verboten waeren. Aber das Thema "Recht" lassen wir lieber
aussen vor: Dieses Thema ist selbst fuer Juristen ein Dschungel internationaler
Fernmelde-, Copyright- und aehnlicher Vertraege. Das heisst nicht, dass es
unwichtig waere. Der Gesetzgeber hat hier noch einigen Handlungsbedarf. Aber
da hier wesentliche Interessen der Industrie beruehrt sind, muss mensch sich
darueber KEINE Sorgen machen, dass sich Lobbyisten finden werden.
Dabei - sollten sie denn wirklich existieren - wird keiner etwas gegen die
Sperrung von Newsgruppen haben, wenn sie tatsaechlich und eindeutig gegen
geltendes nationales Recht verstossen. Dies sollte aber auch im Einzelfalle
geprueft und untersucht werden.

Wahr ist aber auch, dass nur ein geringer inhaltlicher Anteil in dieser
NetNews-Hierachie frauenverachtend ist. Eine Newsgruppe fuer Sex-Maso's
laesst eben noch nicht darauf schliessen, dass sich in dieser Gruppe (Brett)
nur Perverse tummeln. Ein intensiverer Blick bringt zu Tage, dass Begriffe
wie "beidseitiges Einverstaendnis" gross geschrieben werden. Frauenfeindlichen
Aeusserungen wird von der Netzgemeinschaft geschlossenen widersprochen. Dies
gerade in diesen Gruppen.

In anderen Newsgruppen wird offen ueber sexuelle Probleme, ueber Verhuetung
und ueber AIDS gesprochen. Auch Gruppen fuer Minderheiten, z.B. Homosexuelle,
sind vorhanden. Der Informationsgehalt dort ist gross. Nur wie meistens:
Die Existenz von Pornobildern hat dazu gefuehrt, dass auch diese Gruppen
abgeklemmt wurden. Ein ganzes Thema soll tabuisiert werden, weil Ihnen
ein Artikel in der EMMA als aeusserer Anlass genuegt. Oder wie soll erklaert
werden, dass an einer Universitaet in Baden-Wuerttemberg eine Gruppe ueber
militaerische Forschung gleich mit gesperrt wurde? Auch wenn diese
Entscheidung auf Benutzerdruck spaeter aufgehoben wurde. Einen Versuch war
es vielleicht wert.

Die Gelegenheit beim Schopfe packen, und die "alten" Medien schweigen. Einige
Leute in den Netzen forderten: Richtigstellung; Selbst aktiv werden; In
den Medien die falsche Position der EMMA richtigstellen.
Eigentlich spricht solche Meinungen fuer eine gehoerige Portion Naivitaet.
Die "alten" Medien haben nur wenig Interesse daran, sich mit den "neuen"
Medien zu befassen. Sie stellen in vielen Dingen eine zukuenftige Konkurrenz
dar. Nur wenige Redaktionen sind in den Netzen vertreten. Und wenn sie es tun,
dann behalten sie ihre Denkweisen haeufig bei. Das Verhalten eines Mitarbeiters
der Redaktion c't aus dem Heise-Verlag aufgrund eines Beitrages von Wau
Holland spricht da Baende. Nur weil dieser darauf aufmerksam machte, dass
Beitraege von Benutzern in Brettern nicht ohne zu Fragen als Leserbrief
uebernommen werden duerfen, forderte ein Angehoeriger der Redaktion, die
Verbindung zwischen c't und einem Netz abzuklemmen. Diese wurde aber spaeter
zurueckgenommen.

Auch die Qualitaet des Magazines ist dabei irrelevant. Einerseits ein Artikel
in der EMMA, der schon am Stil erkennen laesst, dass er nur bedingt
ernstzunehmen ist. EMMA versuchte, eine allgemeine Gruppenhierachie ueber
Sexualitaet mit einer speziellen Gruppenhierachie fuer Kalte Kernfusion zu
vergleichen und aus den Zugriffszahlen abzulesen, dass alle Professoren an den
Unis augenscheinlich pervers sein muessen.
Der SPIEGEL ging das Thema anders an. Wenn mensch bedenkt, dass den Spiegel-
redakteuren jede Information von RZ-Leitern, Administratoren, Benutzern und
komplette Ausdrucke der Diskussion in den Netzen vorlagen, so ist der Artikel
besonders durch seine Sachlichkeit gefaehrlich. Die Autoren haben keine
Skrupel, 240.000 Lesezugriffe auf die - wegen des Themas jeden Menschen
betreffende Gruppenhierachie - mit den 120.000 Lesezugriffe der Gruppe
comp.graphics zu vergleichen. Also einer Gruppe, in der sich Informatiker
ueber das Spezialthema der "Angewandten Informatik" Computer Graphics
unterhalten.
Hier wird nicht nur ein Trabbi mit einen Porsche, sondern auch noch dieser
Trabbi mit einem Parkplatz voller Porsches verglichen.
Ein Vergleich mit Newshierachien aehnlicher Auspraegung, wie z.B. ueber
Freizeit oder Politik, wird vermieden. Es passt wohl nicht in den "Aufdeckungs-
journalismus". Dass statistische Zahlen wie der erhoehte Frauenanteil (im
Vergleich zu technischen Themen) in den alt.sex.* Gruppen schlichtweg
ignoriert werden, passt da gut ins BILD.

Die Sachlichkeit laesst aber den unbedarften Leser das nicht erkennen. Woher
auch. Selbst alteingesessene Benutzer halten den Artikel fuer "gut".

Besonders erbaermlich ist aber weniger, wie das Thema "Pornographie in
den Netzen" aufgegriffen wurde. Der publizistische Grundsatz, dass der
recherchierende Journalist selbst nicht vom "Fach" des Themas sein sollte,
entschuldigt diesen im allgemeinen.
Nur schwer zu verkraften ist jedoch, dass der Herausgeber Rudolf Augstein erst
vor kurzem in einem seiner beruehmt-beruechtigten Kommentare intensiv auf das
Gesetz zur Einschraenkung der Veroeffentlichung von Stasi-Papieren eingegangen
ist, dies unbeirrt als Angriff auf die Pressefreiheit titulierte, und wenige
Wochen spaeter Redakteure seines Magazins im Grossteil eines Artikels auf die
Pornographie eingehen und die dadurch ausgeloeste Zensur in ein paar Neben-
saetzen abgetan wird. Damit wird der Freiheit der Information, der Presse und
der Meinung sicher nicht geholfen.

Aber auch die Positionen von Rechenzentren und Mailbox-SysOps ist nur schwer
nachzuvollziehen. Eine Diskussion zwischen Benutzern, Netzbetreibern und
Verantwortlichen kommt kaum zustande, weil ihnen eine Mauer von vorgeschobenen
Argumenten im Wege steht.

Argumente wie zu wenig Bandbreite auf den Netzen, zu hohe Kosten oder zu
wenig Plattenplatz lassen einen erschaudern.
Entweder meinen diese Leute die Argumente ernst - dann ist das ein Fall fuer
den entsprechenden Landesrechnungshof, denn dann werden die vorhandenen
Resourcen eindeutig falsch eingesetzt. Jene RZ's, die keine Probleme mit
Resourcen haben (und viel finanzschwaecher sind) zeigen dies.
Oder aber es sind vorgeschobene Argumente oder Argumente aus Unkenntnis -
dann muss diese Mauer niedergerissen werden. Sonst kann es zu keiner
vernueftigen (hier: ausgewogenden) Loesung kommen.

Als Argument beliebt ist auch, dass Universitaetsresourcen nur zur Forschung
und zur Lehre eingesetzt werden. Dieses Argument ist besonders gefaehrlich,
wenn es ernst gemeint ist. Es wuerde bedeuten, dass auch Gruppen/Bretter ueber
Politik, ueber Witze, ueber Kultur, etc. jederzeit gesperrt werden koennten.
Es genuegt, wenn ein RZ-Leiter auf die Idee kommt, dass ja eigentlich der
Bezug von einigen Brettern nicht zulaessig waere, weil irgendjemand in der
Welt in diesen Brettern Wahlinformation von Parteien verbreitet. Dies ist
bedenklich. Irgendwo auf dieser Welt wird es immer jemanden geben, der
in ein Brett nicht genehme Informationen verbreitet. Uebertrieben?
Nein. Die Uni Freiburg hat durch Beschluss des Verwaltungsausschusses
genau DIES getan. Ausser den Computer- und wissenschaftlichen Gruppen
werden keine NetNews mehr bezogen. Argumente dieser Art gab es auch schon
an anderen Universitaeten. Das ist schon der 2. Schritt, bevor der 1. Schritt
richtig gemacht wurde.

Dabei wuerde nur geringer Wille notwendig sein, um sich diese Probleme vor
dem (an der Stelle ploetzlich ach so gefuerchteten) Rechnungshof und
anderer Probleme (Presserecht, etc) zu entledigen: Wenn mensch die Netz-
anschluessen nicht als Quelle fuer aufgabenspezifische Information ansieht
sondern als Infrastruktur: wie eine Bibliothek. Keinem Informatiker wird in
einer Bibliothek verboten, ein Buch ueber Germanistik oder ein Biologiebuch
zu lesen. Auch wird einem Studenten oder Nutzer der Bibliothek nicht verboten,
die TAZ, die WELT oder den SPIEGEL oder eine andere Zeitung seiner Wahl zu
lesen, die dort vorraetig ist. Jeder der will, kann dort in die Bibel oder
in "Das Kapital" schauen, und wuerde dieses Recht eingeschraenkt werden,
wuerde ein Zetter und Mordio entstehen, das vom Ural bis zum Atlantik reicht.

Aber wenn in Freiburg oder an anderer Stelle die NetNews mit nicht-wissen-
schaftlichen Inhalt abbestellt werden, dann hat das jeder hinzunehmen?

Zensur ist definiert als "behoerdliche Aufsicht ueber Veroeffentlichungen
in Wort und Bild" (Meyers Handlexikon) oder "behoerdliche Pruefung und
gegebenenfalls Verbot von Buechern, Theaterstuecken, u.ae." (Fremdwoerter-
duden). Auf der anderen Seite steht in einem nicht ganz so wichtigen Buch
(wenigstens nach Auffassung der Rechenzentren und Systembetreiber) folgender
Absatz:

"Art. 5, (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung [..].
Eine Zensur findet nicht statt".

Der letzte Satz ist in keiner Art eingeschraenkt. Im selben Artikel finden
wir aber auch:

"Art. 5, (2) Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.
Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung".

Darf also im Namen der Wissenschaft z.B. Studenten der Zugang zu News-
gruppen aus inhaltlichen Gruenden verwehrt werden? Diese Frage muss sich
jeder selbst beantworten - je nachdem, was er unter "Treue zur Verfassung"
und unter "Lehre" versteht. Wenigstens bis zu dem Tag, wo das Bundes-
verfassungsgericht diese Frage endgueltig beantwortet.

Aber die derzeitige Entwicklung hat auch andere Auswirkungen ...
Franzosen, Hollaender, Polen oder unsere tuerkischen und juedischen Bekannte
in den Netzen - besonders jene im Ausland -, wuerden neue dunkle Wolken der
"Verdummung" und der Intoleranz am Horizont aufziehen sehen. Das sollte
nachvollziehbar sein.
Genau solche Aeusserungen waren nach den ersten Aktionen der Uni Stuttgart zu
lesen.
Wenn nun aber einige Benutzer der Netze, z.B. aus Holland oder den USA, sich
verwundert ueber die Ankuendigungen von RZ-Verantwortlichen ueber Sperrung
einiger Bretter aeussern und die anschliessende Diskussion mit Worten wie
z.B. "Geht es denn schon wieder los ..." kommentieren, dann gilt das als
ueberzogen.
Unabhaengig davon, dass es vielleicht wirklich ueberzogen ist:
Es kann so im Ausland WIRKEN ... denn sie sehen dieses Land nicht so wie
wir. Sondern aus der Geschichte heraus, und diese Geschichte kennt die Zensur
und ihre Wirkung von rechts wie von links. Und die Aelteren sehen Parallelen.
Und die Juengeren halten es daher fuer ueberzogen?
Bedeutet dies der Grundsatz "Wehret den Anfaengen"?
Bedeutet dies aus der Geschichte lernen ?
Als Philip Jenninger, damals Bundestagspraesident, die Anfuehrungszeichen
nicht deutlich mitsprechen konnte, musste er gehen. Er hatte nicht genug
"Sensibiltaet" gezeigt. Muss nicht jeder Entscheidungstraeger diese
Sensibilitaet aufbringen und genau abwaegen was er tut ? Abwaegen heisst ja
noch nicht unterlassen.

Wenn also eine SysOmi aus Stuttgart die Sperrung von alt.sex.* und sci.military
mitteilt, ein Amerikaner sich entsprechend aeussert und von einigen Netz-
nutzern ein "ach was" zu hoeren bekommt, dann unterschaetzt mensch die
Wirkung dieser Ereignisse. Schade ist dabei nur, wie z.B. in Stuttgart, dass
die News-Administratoren die Pruegel aus den Netzen beziehen, obwohl sie nur
eine Anweisung ausfuehren.
Die Netze werden haeufig als "globales Dorf" bezeichnet. Sie koennen nicht
national sein. Jeder, der diese Netze nutzt, muss daran denken, dass seine
Aeusserungen von vielen Menschen in der Welt gelesen und bewertet werden.
Dadurch entwaechst fuer jeden - besonders aber bei den Entscheidungstraegern
von RZ's und Systembetreibern - eine Verantwortung fuer das eigene Tun. Dies
geht soweit, dass mensch nicht nur als Tourist im Ausland "sein Land
repraesentiert" sondern auch im globalen Dorf: Den Netzen.
Die meisten Benutzer sind sich dieser Verantwortung bewusst.

Andere vorgeschobene (oder wenig durchdachte) Argumente sind die Probleme
mit Texten und Bildern in den Netzen, die unter Copyright fallen. Unabhaengig
davon, dass die Rechtslage dazu verworren ist, es sogar BVG-Urteile gibt,
die eigentlich eine andere Sprache sprechen und der Begriff des "Copyrights"
in den neuen Medien eh ueberholt ist ... Es ist unverstaendlich solche
Argumente von Leuten zu hoeren, die haeufig von "News fuer alle" reden und
diesbezuegl. auch Diensteanbieter angreifen, die (noch) der Meinung sind, dass
dies ein zu bezahlender Dienst ist.
In Einzelfaellen muss der Betroffene bei Verstoessen gegen Copyright dagegen
prozessieren, wie in den USA geschehen. Die Betroffenen wissen ihre Rechte
zu schuetzen - sie brauchen dafuer weder System-Betreiber noch Universitaeten.
Diese sind keine Staatsanwaelte oder Polizisten ...

Das Ziel muss sein, dass Information frei ist. Dies kann mensch dadurch
erreichen, dass mensch diesbezueglich Fakten schafft, oder das mensch mit
den Diensteanbietern redet. Was auf jeden Fall NICHT geht ist, an diesen
Stellen mit "gespaltener Zunge" zu reden. Dies gilt fuer viele - haeufig auch
fuer den Autor diesen Beitrages -, aber mensch muss sich GEDANKEN darueber
machen.

News sollen Infrastruktur sein. Der Diensteanbieter hat fuer den Inhalt KEINE
Verantwortung. Entsprechende Urteile, z.B. aus Stuttgart, existieren. Also
soll sich der Diensteanbieterich nicht selbst als "zustaendig" deklarieren,
um eigene Ziele und Vorstellung umzusetzen. Wichtig ist hierbei, dass nicht
technische Gruende vorgeschoben werden, um eine inhaltliche Zensur durchzu-
fuehren. Wenn eine Universitaet oder ein Diensteanbieter sagen muss,
dass kein Speicherplatz vorhanden ist und daher den Bezug der Newsgruppen
einschraenken muss, stehen mehrere Moeglichkeiten zur Auswahl:

a) Verkuerzung der "Haltedauer". Statt jeden Artikel 2 Wochen zu behalten,
wird das auf 10 Tage oder weniger verkuerzt. Dies ist fuer einzelne
Gruppen einstellbar.
b) Oder die Benutzer werden gefragt, welche Gruppen sie NICHT lesen.
c) Oder einige wenige trafficintensive Gruppen werden nicht mehr bezogen.

Auch das Argument, dass z.B. der Inhalt einer Gruppe alt.sex.bestiality zu
einem hohen Prozentsatz gegen deutsche Gesetze verstoesst, kann akzeptiert
werden. Aber ein Rundumschlag, mit inhaltlichen Argumenten auf die
Informationen Einfluss zu nehmen, verstoesst immer noch gegen das Grundgesetz
"Eine Zensur findet nicht statt". KEINER wuerde diese Aussage bezweifeln, wenn
ein SPIEGEL oder eine TAZ verboten werden sollte mit dem Argument, es waere
nicht genug Druckerschwaerze da oder mensch koennte sie ja weiter im Ausland
kaufen, oder der STERN wird verboten, weil er haeufig leicht bekleidete Frauen
darstellt. Die neuen Medien koennen an dieser Stelle den Vergleich mit den
alten Medien standhalten. Gerichte tun dies. Warum also klueger sein als
die Mutter ?

Natuerlich gibt es Missbrauch. Porno-Bilder, Rassismus oder persoenliche
Beleidigungen der schlimmsten Art sind zu sehen. Aufrufe zu Straftaten,
Rechtfertigungsschriften von Terroristen - alles schon dagewesen. Aber
die Besten, die damit umzugehen haben und sollten, ist die Gemeinschaft
der Benutzer. So wie sich in "anderen" Medien die Leser auf verschiedenste
Art an Autoren und Verleger wenden wenn entsprechende Beitraege auftauchen,
so wie die Konkurrenz schon auf sowas aufmerksam machen wird, so will und
kann die Netzgemeinschaft die Verantwortung weitgehend allein tragen. Nur
in konkreten Einzelfaellen kann von diesen Grundsatz abgewichen werden.

Niemand sollte versuchen, eine Zensur auch nur ansatzweise zu befuerworten.
Es werden immer die Betroffenheit des Einzelnen und die Freiheit der Meinung
und der Information gegenueberstehen. Es gibt grundsaetzliche Menschenrechte,
und dazu gehoert auch die Meinungsfreiheit. Wenn Universitaeten beschliessen,
einzelne Newsgruppen nicht mehr zu beziehen und dafuer inhaltliche Gruende
nennen - dann verstossen sie gegen Grundsaetze dieses Landes. Die Freiheit
der Wissenschaft und der Forschung/Lehre ist kein Freibrief fuer Massnahmen,
die diesen Grundsaetzen zuwiderlaufen.

Nur weil uns diese neue Art der "Zensur" nicht immer offensichtlich ist
sollten wir das Verbot einzelner Newsgruppen nicht hinnehmen. Es genuegt,
dass - weil es die Leute nicht interessierte - der Talmud als einer der
ersten Werke damals verbrannt wurde. Auch wenn die Gefahr gering ist, dass
solche Zeiten wiederkommen: Wir - als Menschen - werden die Meinungs- und
Informationsfreiheit nur dadurch schaetzen lernen, dass wir uns immer wieder
ueberlegen, was es heisst, bestimmte Informationen auf Grund "hoeherer"
Entscheidung nicht zu beziehen - und im Einzelfall dagegen etwas tun.

Dies gilt erst Recht im Vorfeld: Sprecht mit euren RZ's, BEVOR sie durch
Presseartikel, Benutzer oder Rechnungshoefer aufgeschreckt werden und
ueberstuerzt handeln.
Bringt das Thema von Euch aus zur Sprache. Unterstuetzt Strukturen, die Net-
News als Infrastruktur im gesamtuniversitaeren Bereich einfuehren wollen.
Sollte gegen die Meinungs- und Informationsfreiheit vorgegangen werden,
versucht es ueber Politik und Mediem, eure Meinung deutlich zu machen. Damit
nicht nur eine Seite gehoert wird.
Ueberlasst die "Meinungsbildung" an den Universitaeten nicht der Gruppe von
Menschen, die unter dem Siegel der moralischen und juristischen Rechtfertigung
bereit sind, einseitig zu handeln und damit Grundwerte vergessen.

Nehmt das selbst in die Hand ...

Frank Simon fuer
die Redaktion Chalisti


Anmerkung: Dieser Artikel ist am Montag, den 20.1.1992 entstanden und
im Laufe der Woche mit verschiedenen Aktiven besprochen worden. Er wird
neben den Netzen in abgeaenderter und layouteter Form an die Presse sowie
an die Herausgeber erwaehnter Zeitschriften wie SPIEGEL und EMMA gehen.

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